Rechtsprechung Aktuell
Umkleidezeit =
Mitbestimmungspflichtige Arbeitszeit?
Bundesarbeitsgericht Beschluss vom 10.11.2009, 1 ABR 54/08
Fast jeder Betriebsrat kennt diese Frage von Kollegen: „Ist
die Zeit, die ich für das Anlegen der Firmenkleidung
benötige, eigentlich Arbeitszeit?“
In dem oben bezeichneten Beschlussverfahren vom 10.11.2009 hatte sich
das Bundesarbeitsgericht wieder einmal mit der Beantwortung dieser
Frage zu beschäftigen. Hintergrund der Entscheidung war der
folgende Sachverhalt:
Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit Einrichtungshäuser. Nach
einer mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossenen
Gesamtbetriebsvereinbarung „Firmenkleidung“, sind
sämtliche Mitarbeiter verpflichtet, in den
Firmenräumen wie Möbel, Kasse etc. die ihnen
gestellte „blau/ gelbe“ Arbeits-, Berufs-, bzw.
Schutzkleidung zu tragen. Die Gesamtbetriebsvereinbarung erlaubt den
Arbeitnehmern darüber hinaus, die Firmenkleidung bereits auf
dem Weg zur und von der Arbeitsstätte zu tragen oder sich im
Betrieb umzukleiden.
Nachdem Mitarbeiter das Zeiterfassungsgerät zum
Arbeitszeitende wiederholt erst nach dem Umkleiden betätigt
hatten, wurden diese durch den Arbeitgeber ermahnt, dass dies bereits
vor dem „Ausstempeln“ zu erfolgen habe. Daraufhin
leitete der Betriebsrat ein Beschlussverfahren vor dem
zuständigen Arbeitsgericht ein und machte ein
Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Ziff.
2 BetrVG geltend, da es sich nach dessen Auffassung bei dem Umkleiden
um Arbeitszeit im Sinne dieser Vorschrift handele.
Nachdem das Landesarbeitsgericht Hamm ein solches Recht verneint hatte
(LAG Hamm 23.04.2008- 10 TaBV 131/07-), hob das
Bundesarbeitsgericht diese Entscheidung nun auf und gab dem Betriebsrat
Recht. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts stellt das An- und
Ausziehen der Firmenkleidung hier Arbeitszeit im Sinne des
Mitbestimmungstatbestandes des § 87 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG dar.
Dazu hat der erkennende Senat ausgeführt, dass das zitierte
Mitbestimmungsrecht die Lage der Grenze zwischen Arbeitszeit und
Freizeit betrifft. Bereits in einer Entscheidung aus dem Jahre 2000
(BAG 11. Oktober 2000- 5 AZR 122/99- BAGE 96,45,51) hat das
Bundesarbeitsgericht festgestellt:
„
Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung ist nicht lediglich
fremdnützig und damit nicht Arbeitszeit, wenn sie zu Hause
angelegt und- ohne besonders auffällig zu sein- auch auf dem
Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann.“
Da in diesem Fall die von den Arbeitnehmern anzulegende Dienstkleidung
in einem markanten und signalgebenden „blau/ gelb“
gehalten ist, der Name des Unternehmens deutlich sichtbar auf der
Vorderseite angebracht ist, ist ein Arbeitnehmer der Firma im
öffentlichen Raum ohne Weiteres identifizierbar und damit
auffällig gekleidet. Aus diesem Grunde stellt das An- und
Ablegen dieser Firmenkleidung Arbeitszeit im Sinne des § 87
Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG dar. Folglich hat der Arbeitgeber einseitig die
Lage der Arbeitszeit geändert, als er verlangte das
Zeiterfassungsgerät bereits vor dem Umkleiden zu
betätigen und somit bestehende Mitbestimmungsrechte des
Betriebsrats verletzt. Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings auch in
dieser Entscheidung noch einmal ausdrücklich klargestellt,
dass damit nichts über eine mögliche
Vergütungspflicht dieser Arbeitszeit gesagt ist.
Daher bleibt es wohl dabei, dass An- und Umkleidezeiten
grundsätzlich nicht vom Arbeitgeber zu vergüten
sind.